„Ich habe längst verziehen, aber vergessen werde ich nie.“ Dieses Credo bestimmte den eindrücklichen Zeitzeugenbericht von Ivar Buterfas-Frankenthal, der am 25.04.2023 an der IGS Bovenden vor ca. 350 Personen stattfand.
Der 1933 in Hamburg geborene Holocaustüberlebende erlebte den Schrecken des Nationalsozialismus bereits als junger Erstklässler am eigenen Leib. Hitlerjungen und BDM-Mädel hatten ihn nach einer öffentlichen Demütigung durch einen Lehrer angezündet. „Ich habe längst verziehen, aber vergessen werde ich nie.“, sagt der 90-jährige heute dazu. Denn seit seinem Ruhestand hat er es sich zur Aufgabe gemacht, von seinen Erlebnissen als Holocaustüberlebender zu berichten.
Als Ivar Buterfas-Frankenthal morgens um 09:00 Uhr in Bovenden ankam, waren er und seine Frau bereits seit vier Stunden auf den Beinen. Sie hatten den langen Weg aus Hamburg auf sich genommen, um vor 50 Polizist:innen und etwa 300 Schüler:innen der Klassen 7-13 zu sprechen und diesen ihre eigene Verantwortung in Bezug auf das „Nicht-Vergessen“ zu verdeutlichen. Insgesamt sprach Herr Buterfas-Frankenthal fast drei Stunden.
Einen Schwerpunkt legte Ivar Buterfas-Frankenthal auf die Gräueltaten der Polizei in der Weimarer Republik, unter dem NS-Regime und auch in der Nachkriegszeit und lobte in Abgrenzung dazu das aktuelle Programm „Polizei für Demokratie“ der Landespolizei Niedersachsen, die nicht auf Hitler, sondern auf die wertvolle Idee der Demokratie eingeschworen werden.
Es schilderte der Holocaustüberlebende von den antisemitischen Demütigungen in seiner Kindheit, seiner Familiengeschichte und den unvorstellbaren Zuständen des zweiten Weltkrieges sowie des steinigen Wiederaufbaus.
Nach einer kurzen Pause öffnete Herr Buterfas-Frankenthal das Gespräch für Fragen und wurde überrascht, wie gut die Schüler:innen der 9., 11. und 12. Klasse vorbereitet waren. „Eure Schüler waren so aufmerksam, man hätte eine Stecknadel fallen hören“, sagte er ganz berührt, als er selbst die Veranstaltung schloss.
Im Forum fanden über 130 Menschen Platz, drei weitere Jahrgänge wurden per Videokonferenz in ihren Klassenräumen zugeschaltet, sodass über 350 Menschen teilnehmen konnten. Einige Abiturient:innen nahmen freiwillig teil, obwohl in dieser Woche vier Abiturprüfungen stattfinden. Dabei wurde die neue Veranstaltungstechnik des Fachbereichs Musik, Kunst und Darstellendes Spiel voll ausgeschöpft.
„Am Anfang haben wir gezweifelt, ob wir eine hybride Veranstaltung so ausrichten könnten. Herrn Buterfas-Frankenthal und auch uns Lehrkräften war es jedoch ein Anliegen, möglichst vielen Schülerinnen und Schülern das vermutlich einmalige Erlebnis eines Zeitzeugenberichts zu ermöglichen“, berichtet Lars Heldt, der die Veranstaltung seitens der Schule hauptsächlich verantwortete.
Die Veranstaltung fand in enger Kooperation des Präventionsteams der Polizei Göttingen, vertreten durch Herrn Polizeioberkommissar Tilo Henniges, sowie die Fachbereiche Religion und GSL, vertreten durch Lars Heldt und Franziska Bierwirth, statt. Für die Polizisten handelte es sich um eine interne Fortbildung.
Weitere Berichte zu der Zeitzeugenbegegnung stehen unter:
GT: Den Holocaust überlebt: Zeitzeugen-Paar spricht mit IGS-Schülern und Polizisten in Bovenden (25.04.2023)
HNA: Überlebende des Holocaust erzählen: Verzeihen ja, Vergessen nie. (01.05.2023)